euronews reporter - Italien: Kurzarbeit, Schwarzarbeit, keine Arbeit

Junge Menschen haben es schwer, im krisengebeutelten Süden Italiens ihren Lebensweg zu finden. Die Jugendarbeitslosigkeit explodiert. Auch ein Universitätsdiplom schützt nicht mehr vor Arbeitslosigkeit. Junge Süditaliener wandern ab Richtung Norden - oder bleiben im Süden und arbeiten schwarz, ohne Vertrag.

Vor dem Arbeitsamt in Apuliens Landeshauptstadt Bari herrscht dichtes Gedänge. Wer Arbeit sucht in Süditalien, der braucht Ellbogen und Durchsetzungsvermögen. Es ist kalt an diesem Wintermorgen in Bari. Und frostig ist auch die Stimmung. Kein Wunder: der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Unternehmen haben umgeschaltet auf Krisenmanagement und Kurzarbeit. Eine Pleitewelle bedroht den Textil- und Möbelsektor. Aber auch andere Zweige des produzierenden Gewerbes und Dienstleistungssektors sind betroffen.

Wer sein täglich Brot sichern möchte, wird abgedrängt in die Schwarzarbeit. Viele junge Süditaliener haben noch nie einen richtigen Arbeitsvertrag gesehen, so wie die 23-jährige Annalisa: "Ich habe immer nur schwarz gearbeitet. Meinen ersten Job habe ich 2006 angenommen, in einem Wellness-Center. Sechs Jahre lang habe ich dort gearbeitet. Ohne Vertrag. Wenn sie mich brauchten, haben sie mich angerufen. 500 Euro habe ich bekommen im Monat, dafür habe ich vier Stunden täglich gearbeitet, von montags bis samstags."

Im dichten Menschengetümmel vor dem Arbeitsamt fällt ein junger Mann ins Auge, Gianluca. Er ist ganz in weiss gekleidet. Gearbeitet hat er - wie Annalisa - immer nur schwarz: "Ich habe auf dem Markt gearbeitet, als Fleischer. Dann in einer Autowerkstatt und auch schon mal in einer Schreinerei. Das war alles schwarz, ohne Vertrag. Für 80 bis 100 Euro pro Woche."

Jahrelang bewegte sich die Jugendarbeitslosigkeit in Italien zwischen 20 und 25 Prozent. Doch mittlerweile ist sie in kürzester Zeit auf 37 Prozent gestiegen - parallel dazu explodiert die Schwarzarbeit: das bedeutet keine Sozialleistungen, keine Altersvorsorge, keinen Rechtsschutz - und die Möglichkeit, von einer Stunde auf die andere umstandslos gefeuert zu werden.

"Ich komme hierher zum Arbeitsamt seit ich 19 Jahre alt bin", berichtet Davide. "Mittlerweile bin ich 28. Ich habe jede Menge schlechte Erfahrungen gemacht: es ist unmöglich, einen festen Arbeitsplatz zu finden. Alle fünf Sekunden muss ich den Job wechseln, ich habe nicht die allergeringste Langzeitperspektive. Und die Mehrheit der Jobangebote die ich hier und da bekomme besteht aus Schwarzarbeit. Ich bin jetzt bald 30, das kann so nicht weitergehen. Neulich habe ich für eine Werbeagentur gearbeitet, ohne Vertrag. Die ganzen Schwarzarbeitsfirmen zahlen nie am Monatsende, immer erst mit monatelanger Verspätung, wenn überhaupt. Und nie die vereinbarte Summe, immer weniger. Das tut echt weh."

Glaubt nicht den leeren Versprechen dieser lausigen Schwarzarbeitsfirmen! Lehnt euch auf! Geht zur Polizei! Das sind die Ratschläge Ida Ziccolellas. Sie ist so etwas wie die "gute Seele" des Arbeitsamtes von Bari. Ida kennt die schmutzigen Tricks. Und sie kennt die Probleme der Kurzarbeit, die immer mehr Krisenbetriebe eingeführt haben: "Das Ausmass der Schwarzarbeit ist immens", bezeugt Ida. "Und die Kurzarbeitsmechanismen verführen die Leute geradezu zur Schwarzarbeit. Wer auf Kurzarbeit ist, bekommt aus den Sozialkassen 700 bis 800 Euro pro Monat - und sucht sich parallel dazu einen Schwarzarbeiter-Job. Ich kenne Fälle, Namen werde ich hier keine nennen, in denen Kurzarbeit und andere Mechanismen zur Abfederung sozialer Härtefälle 22 Jahre lang missbraucht wurden. Die Leute stecken das Kurzarbeitergeld ein, obwohl sie den ganzen Tag lang illegal abeiten, ohne Vertrag, schwarz."

Im Industriegebiet von Bari haben viele Betriebe geschlossen. Nur wenige verkraften problemlos Umsatzeinbussen von fünfzig Prozent. Wir haben uns mit einem der führenden Schwarzarbeit-Experten der Region Apulien verabredet, Vito Belladonna. Auch er konstatiert einen massiven Missbrauch von Sozialleistungen. Seine Einschätzung: vierzig Prozent der Menschen hier arbeiten schwarz.

"Aufgrund der Umsatzeinbussen haben die Firmen entweder Leute entlassen - oder aber auf Schwarzarbeit umgestellt", sagt Belladonna. "Oder beides zugleich! Das läuft folgendermassen ab: die Arbeitnehmer werden offiziell gefeuert, arbeiten in Wirklichkeit aber weiter, in derselben Fabrik, ohne Vertrag, schwarz."

Vor dem Sitz der Regionalregierung Apuliens demonstrieren Doktoren, Pfleger und Krankenschwestern. Seit zehn Jahren sind sie auf der Suche nach einer "echten Arbeit", erfolglos.

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