Wenn ein lebendiges Land langsam stirbt-Madrid


Madrid ist die Hauptstadt von Spanien. Eine lebendige quierlige Stadt die niemals schläft. Ich habe einen langen Spaziergang durch Madrid gemacht, und zwar in der Hauptgeschäftszeit in einem relativ zentral gelegen Geschäftsviertel von Madrid: Argüelles Gaztambide, Arapiles, Ríos Rosas, Trafalgar, Malasaña… Samstagnachmittag, ersten Samstag des Monats, Lohn-und Gehaltsabrechnung gerade erhalten. Doch es ist als läuft man durch Geisterstraßen. Dutzende Geschäfte leer oder fast leer, die meisten von ihnen, ohne Kunde. Gelangweilte Mitarbeiter, tatenlos und genervt.  Geschäfte für Bekleidung, Bars, Cafés, Schuhgeschäfte, Parfüm-Geschäfte, Gemüsehändler, Schmuck, Uhren, Floristen, Buchhandlungen, Bäckereien-Patisseries, leer. Nur in den Supermärkten gab es  einige Leute, aber die Einkaufswagen waren kaum gefüllt. Die INE-Statistiken zeigen in Zahlen, was auf der Straße Realität ist. Die Verbraucher schließen ihre Geldbörse, die Bars und Cafés sterben langsam und jeden Tag gibt es Schließungen. Die spanische Wirtschaft spiegelt hier wieder, durch einen Spaziergang durch das Zentrum der spanischen Städte (so auch Barcelona) was Realität ist. Kein Geld und viel Angst.  Inmitten dieser Krise die Neuwahlen in Spanien. Ein leichtes Spiel mit der ängstlichen Masse.

Der Eurowahnsinn hat die südlichen Länder überrumpelt, denn sie waren nicht auf das vorbereitet was kam. Sie kannten nur die "Innere Wirtschaft" mit ihrer Familie, die den Kindern, den man bei der Heirat das Haus oder ein Stück Land der Familie schenkte. Kreditwirtschaft war kaum ein Thema. Man lebte vom Land. Tomaten, Zitronen, Gemüse kam aus dem Garten, Fisch aus dem Meer vor der Haustür. Der Esel, das Pferd, ein alter Traktor. Bargeld brauchte man so nur wenig. Dann überrollte das Kreditsystem das Land. Häuser mit billigem Geld finanzieren, ein Luxus den jeder mitmachen mußte, denn der Nachbar hatte es gerade getan, er sitzt jetzt genüßlich am Pool. Alle machten mit. Die Banken warfen das Geld den leichtgläubigen Kunden hinterher. Ein Auto, Möbel, Kleidung, das gesamte Leben auf Pump.
 Jetzt stehen die Konsum-Paläste leer. Bald werden dort die Lichter ausgehen. Aber das betrifft nicht nur Spanien. Das war die Europa-Idee. Ein gut durchdachter Plan.

Daran musste ich denken, als ich heute diesen Bericht aus Madrid las:
Spanien: Das lange Ende der Party

http://kritische-massen.over-blog.de/article-spanien-das-lange-ende-der-party-88118301.html 
Den Höhepunkt und das Abbrechen des Booms in Spanien habe ich miterlebt. In den 1990er Jahren begann eine Phase, die das Leben eines grossen Teils der Bevölkerung umkrempelte. Man war immer auf Sparen für eventuelle Notzeiten eingestellt gewesen. Etwas zu kaufen, wofür man das Geld gar nicht hatte, kam den Leuten kaum in den Sinn. Die kleine Verschwendung, die man sich gönnte, waren die traditionellen Feste im Stadtviertel, der Dorfgemeinde oder im Familienkreis.
 
Der Umbruch kam zuerst schleichend, dann überwälzte er das hergebrachte Leben, wurde um die Jahrtausendwende zu einer allgemeinen Euphorie, der sich nicht viele völlig entzogen. Die Kollegin, der Kollege kam eines Tages nicht mit seiner alten Rostlaube zur Arbeit, sondern mit einem nagelneuen Auto. Die neuen Häuser, ganze Stadtviertel, schossen wie Pilze aus dem Boden, die alten wurden aufwändig renoviert. Der Pool, vorher eine Marotte der Nichtstuer aus dem Norden oder den inländischen Metropolen mit Zweitwohnsitz "auf dem Land", wurde obligatorisch.
 
Dabei wusste ich doch, was die Leute verdienten oder konnte es zumindest meistens gut abschätzen. Wie machten sie das bloss ?
 
Sie machten es "ganz einfach": Sie verschuldeten sich bis zur Halskrause. Die Banken warfen das Geld förmlich nach, und so viele fielen darauf herein. Ach, es gab doch Arbeit, wenn auch zumeist schlecht bezahlte. Ach, man kann doch ein paar Jahre, ein Jahrzehnt oder zwei, auch zehn oder zwölf Stunden am Tag arbeiten, und wenn es die ganze Familie tut, kommt was zusammen. Ohnehin würde das neu gekaufte oder gebaute Haus in zehn Jahren mindestens das Doppelte wert sein. Wie oft habe ich einer Kollegin, einem Kollegen gesagt: Hör auf damit, das ist gefährlich, was machst Du, wenn Du arbeitslos wirst, und was ist das denn für ein Leben, nur noch zu malochen für den blöden Konsumquatsch. Da war nichts zu machen. "La globalisacion" hatte die Leute verrückt gemacht.
 
Es war ein Rausch. Endlich fand man Anschluss an die besseren Lebensverhältniss weiter im Norden Europas, endlich gehörte man auch zu den wohlhabenden Ländern, endlich vorbei die Armut, das Knausern, die erzwungene Bescheidenheit. Sogar die Strassen und Autobahnen erreichten deutsches Niveau.
 
September 2008: Ende.
 
Auf Mallorca wurden innerhalb weniger Wochen die Hälfte der Bauarbeiter arbeitslos, der grösste Baukonzern war pleite, die Baustellen verwaisten, halbfertige Viertel wurden zu Ruinen. Und so war es im ganzen Land. Der Boom war ein Boom auf Pump gewesen, und die Blase war im Moment ihrer äussersten Aufblähung geplatzt. Auf den Balearen ist das noch nicht einmal am krassesten zu spüren. Der Massentourismus läuft ja bis heute, sogar immer noch mit kleinen Zuwächsen, weil die Destination in Nordafrika so gefährlich geworden sind, dass die Deutschen und Franzosen und Briten doch lieber nach Spanien fliegen. Aber der Abwärtssog hat das ganze Land erfasst und hält seit jetzt drei Jahren an. Hoffnung auf einen neuen Boom gibt es nicht. Im Gegenteil, die Talsohle ist noch nicht erreicht. Viereinhalb Millionen sind nach der offiziellen Statistik arbeitslos, bei 48 Millionen Einwohnern.
 

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