Wie die Ameisen nach Spanien kamen
Krieg und Frieden, oder wie ein argentinisches Ameisenvolk die Küsten des Mittelmeers erobert.
Sie sind ihnen bestimmt schon oft über den Weg gekrabbelt, beim Picknick in der Natur, beim Frühstück auf der Terrasse oder beim Grillen auf dem Balkon, sogar in der Küche sind sie Ihnen schon begegnet, - Ameisen, winzige, braune, ungeheuer emsige und immer in riesiger Zahl auftretende Gesellen, die alles, was eßbar ist, im Indianertrott wegschleppen und an ihre immer zahlreicher werdenden Nachkommen verfüttern.
Aber wußten Sie auch, dass die meisten Ameisen, denen Sie in Katalonien begegnen, aus Argentinien stammen (Linepithema humile) und allesamt Nachkommen einer einzigen Königin sind, der es vor etwa 20 Jahren gelungen sein muß, die Reise über den Atlantik von Südamerika nach Europa zu überstehen, - wie man vermutet, in einem Futtermitteltransport.
Dann ist etwas unglaubliches passiert: innerhalb von nur 20 Jahren haben die Nachkommen dieser einen Königin die Küste des Mittelmeers vom Süden Portugals bis nach Genua erobert und dabei 90% der einheimischen Ameisenvölker vernichtet. Diese Ameisenkolonie von geradezu imperialen Ausmaßen ist die größte Tierkolonie unseres Planeten. Die Zahl ihrer Mitglieder mißt sich nicht in Milliarden, sondern in Billionen, und stört empfindlich das biologische Gleichwicht am Boden. Das Territorium dieser Super-Kolonie umfaßt mehr als 6.000 Quadratkilometer.
Wie menschliche Gesellschaften halten sich Ameisenstaaten stehende Heere von Soldaten, auf den Krieg spezialisierte Ameisen, die nichts anderes können, als fressen und kämpfen, während die Arbeiterinnen die Nahrung beschaffen und die Königin Eier legt. Krieg und Frieden sind sehr einfach geregelt: Feind ist, wer anders riecht. Auch das kommt uns bekannt vor. Jede Königin vererbt nämlich an ihre Nachkommen einen ganz bestimmten Geruch. Wenn Ameisen derselben Art sich begegnen, dann betasten sie sich. Stimmt die ertastete Geruchsmarke mit der eigenen überein, stammt der Artgenosse also aus dem selben Bau, dann ist Frieden, riecht er dagegen fremd , dann wird Alarm geschlagen, - die Soldaten rücken aus und vernichten den Eindringling.
Der überwältigende „militärische“ Erfolg der argentinischen Ameisen über die europäischen Ameisenvölker scheint sich daraus zu erklären, daß auch die Königinnen, die von der allerersten Königin abstammten, den Geruch dieser Ur-Mutter an alle weiteren Tochter-Königinnen unverändert weitergeben, während bei den europäischen Ameisen jede neue Königin einen eigenen unverwechselbaren Geruch entwickelt. Außerdem
Deshalb sind alle europäischen Ameisenvölker, auch die derselben Art miteinander verfeindet, führen gegeneinander Krieg, grenzen sich gegenseitig in ihren Lebensräumen ein und stabilisieren so das natürliche Gleichgewicht der Arten.
Die argentinischen Ameisenvölker aber werden zu einem einzigen riesigen Volk. Zwar hat jeder Ameisenbau seine eigene Königin, aber die riecht genauso wie die Königinnen aus den Nachbarbauten. Deshalb riechen alle Ameisen dieser Völker gleich, verhalten sich, als gehörten Sie zu einem einzigen Volk. Nur die eingesessenen europäischen Ameisen riechen anders. Sie werden von allen argentischen Ameisenvölkern als Feinde erkannt, gemeinsam bekriegt, allmählich zurückgedrängt oder gar ganz vernichtet.
Diese Strategie hat zur fast totalen Vernichtung der einheimischen Ameisenvölker geführt. Wenn sich dieser Trend in Zukunft ungebremst fortsetzte, dann könnte sich die Invasion der argentinischen Ameisen zum ernsten ökologisches Problem entwickeln.
Nun glauben einige Forscher, daß der Trend sich umkehren könnte, vielleicht sogar schon umgekehrt hat. Denn hier in Katalonien haben sie ein argentinisches Ameisenvolk entdeckt, das anders riecht. Es scheint also, als habe die unveränderte Weitergabe des typischen Geruchs-Gens von der Ur-Mutter auf alle Tochterköniginnen zum erstenmal nicht funktioniert.
Dieses neue Ameisenvolk stammt zwar auch von jener allerersten Königin ab, die es vor zwanzig Jahren an die Küsten des Mittelmeers verschagen hatte, aber die Ameisen dieses neuen Volkes riechen anders. Durch den neuen Geruch hat sich dieses Ameisenvolk von der Mutter-Kolonie abgespalten, denn, weil es anders riecht, identifziert es alle Völker der Kolonie als feindlich, obwohl es Mutter- und Schwester-Völker sind, wie umgekehrt für die Völker der alten Kolonie das neue Ameisenvolk zum Feind wird.
Das könnte den scheinbar unaufhaltsamen Sieges- und Eroberungszug der argentischen Ameisen bremsen, denn wenn der Geruch der Mutter-Königin nicht mehr unverändert an die Töchter vererbt wird, dann wird im Laufe der Zeit und in der Folge der Generationen die Mutter-Kolonie wieder in Einzelstaaten zerfallen, die sich gegenseitig bekriegen und begrenzen werden; denn deren Stärke lag vorallem in ihrer Einheit begründet. Nur so konnten sie zur alles überwältigenden Superkolonie anwachsen.
Sie sehen, zu ihren Füßen, im Gras wird Weltgeschichte im Kleinen geschrieben.
Text M.May
Sie sind ihnen bestimmt schon oft über den Weg gekrabbelt, beim Picknick in der Natur, beim Frühstück auf der Terrasse oder beim Grillen auf dem Balkon, sogar in der Küche sind sie Ihnen schon begegnet, - Ameisen, winzige, braune, ungeheuer emsige und immer in riesiger Zahl auftretende Gesellen, die alles, was eßbar ist, im Indianertrott wegschleppen und an ihre immer zahlreicher werdenden Nachkommen verfüttern.
Aber wußten Sie auch, dass die meisten Ameisen, denen Sie in Katalonien begegnen, aus Argentinien stammen (Linepithema humile) und allesamt Nachkommen einer einzigen Königin sind, der es vor etwa 20 Jahren gelungen sein muß, die Reise über den Atlantik von Südamerika nach Europa zu überstehen, - wie man vermutet, in einem Futtermitteltransport.
Dann ist etwas unglaubliches passiert: innerhalb von nur 20 Jahren haben die Nachkommen dieser einen Königin die Küste des Mittelmeers vom Süden Portugals bis nach Genua erobert und dabei 90% der einheimischen Ameisenvölker vernichtet. Diese Ameisenkolonie von geradezu imperialen Ausmaßen ist die größte Tierkolonie unseres Planeten. Die Zahl ihrer Mitglieder mißt sich nicht in Milliarden, sondern in Billionen, und stört empfindlich das biologische Gleichwicht am Boden. Das Territorium dieser Super-Kolonie umfaßt mehr als 6.000 Quadratkilometer.
Wie menschliche Gesellschaften halten sich Ameisenstaaten stehende Heere von Soldaten, auf den Krieg spezialisierte Ameisen, die nichts anderes können, als fressen und kämpfen, während die Arbeiterinnen die Nahrung beschaffen und die Königin Eier legt. Krieg und Frieden sind sehr einfach geregelt: Feind ist, wer anders riecht. Auch das kommt uns bekannt vor. Jede Königin vererbt nämlich an ihre Nachkommen einen ganz bestimmten Geruch. Wenn Ameisen derselben Art sich begegnen, dann betasten sie sich. Stimmt die ertastete Geruchsmarke mit der eigenen überein, stammt der Artgenosse also aus dem selben Bau, dann ist Frieden, riecht er dagegen fremd , dann wird Alarm geschlagen, - die Soldaten rücken aus und vernichten den Eindringling.
Der überwältigende „militärische“ Erfolg der argentinischen Ameisen über die europäischen Ameisenvölker scheint sich daraus zu erklären, daß auch die Königinnen, die von der allerersten Königin abstammten, den Geruch dieser Ur-Mutter an alle weiteren Tochter-Königinnen unverändert weitergeben, während bei den europäischen Ameisen jede neue Königin einen eigenen unverwechselbaren Geruch entwickelt. Außerdem
Deshalb sind alle europäischen Ameisenvölker, auch die derselben Art miteinander verfeindet, führen gegeneinander Krieg, grenzen sich gegenseitig in ihren Lebensräumen ein und stabilisieren so das natürliche Gleichgewicht der Arten.
Die argentinischen Ameisenvölker aber werden zu einem einzigen riesigen Volk. Zwar hat jeder Ameisenbau seine eigene Königin, aber die riecht genauso wie die Königinnen aus den Nachbarbauten. Deshalb riechen alle Ameisen dieser Völker gleich, verhalten sich, als gehörten Sie zu einem einzigen Volk. Nur die eingesessenen europäischen Ameisen riechen anders. Sie werden von allen argentischen Ameisenvölkern als Feinde erkannt, gemeinsam bekriegt, allmählich zurückgedrängt oder gar ganz vernichtet.
Diese Strategie hat zur fast totalen Vernichtung der einheimischen Ameisenvölker geführt. Wenn sich dieser Trend in Zukunft ungebremst fortsetzte, dann könnte sich die Invasion der argentinischen Ameisen zum ernsten ökologisches Problem entwickeln.
Nun glauben einige Forscher, daß der Trend sich umkehren könnte, vielleicht sogar schon umgekehrt hat. Denn hier in Katalonien haben sie ein argentinisches Ameisenvolk entdeckt, das anders riecht. Es scheint also, als habe die unveränderte Weitergabe des typischen Geruchs-Gens von der Ur-Mutter auf alle Tochterköniginnen zum erstenmal nicht funktioniert.
Dieses neue Ameisenvolk stammt zwar auch von jener allerersten Königin ab, die es vor zwanzig Jahren an die Küsten des Mittelmeers verschagen hatte, aber die Ameisen dieses neuen Volkes riechen anders. Durch den neuen Geruch hat sich dieses Ameisenvolk von der Mutter-Kolonie abgespalten, denn, weil es anders riecht, identifziert es alle Völker der Kolonie als feindlich, obwohl es Mutter- und Schwester-Völker sind, wie umgekehrt für die Völker der alten Kolonie das neue Ameisenvolk zum Feind wird.
Das könnte den scheinbar unaufhaltsamen Sieges- und Eroberungszug der argentischen Ameisen bremsen, denn wenn der Geruch der Mutter-Königin nicht mehr unverändert an die Töchter vererbt wird, dann wird im Laufe der Zeit und in der Folge der Generationen die Mutter-Kolonie wieder in Einzelstaaten zerfallen, die sich gegenseitig bekriegen und begrenzen werden; denn deren Stärke lag vorallem in ihrer Einheit begründet. Nur so konnten sie zur alles überwältigenden Superkolonie anwachsen.
Sie sehen, zu ihren Füßen, im Gras wird Weltgeschichte im Kleinen geschrieben.
Text M.May
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